|
Claus Kühnl
* 1957
Duplum. Musik des Lichtes und der Finsternis
(1989/2. Fassung 1996)
für Ensemble (20 Min.)
Das zweiteilige Werk bezieht sich inhaltlich auf 11 Zeilen des chinesischen
Tao Tê King. Die Zeilen lauten:
Tao ist leer,
und in seinem Wirken wird es nie gefüllt.
Ein Abgrund, oh! gleicht es aller Wesen Urwesen
(...)
Es ist Wesen, aber unfaßlich, aber unbegreiflich.
Unbegreiflich, unfaßlich!, in ihm sind die Bilder.
Unfaßlich, unbegreiflich!, in ihm sind die Wesen.
Unergründlich, dunkel!, in ihm ist der Geist.
(...)
Tao erzeugt Eins,
Eins erzeugt Zwei,
Zwei erzeugt Drei,
Drei erzeugt alle Wesen
Ein gewaltiger Knall zu Beginn, in der Mitte und kurz vor Schluß
des Werks markiert jeweils den Wendepunkt eines prinzipiell unendlichen
Prozesses aus Werden und Vergehen ("Tao ist leer, und in seinem Wirken
wird es nie gefüllt"). Beide Teile gehen ohne Unterbrechung
ineinander über, ein möglicher dritter Teil wird lediglich angedeutet
und reißt mitten in der Bewegung ab. Es gibt keine Kontrastbildungen
im Sinne von Kampf oder Konflikt, sondern
ausschließlich komplementär im Hinblick auf ein sich formendes
Ganzes. In beiden Teilen findet sich ein längerer Abschnitt mit dem
Versuch der Suggestion eines totalen zeitlichen Stillstands. Dreimal hört
man eine gleichmäßig pulsierende Klangkette, die alle horizontalen
und vertikalen Muster, mit denen Duplum arbeitet, im Keim enthält.
("Unergründlich, dunkel!, in ihm ist der Geist").
(Claus Kühnl) |