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Claus Kühnl
* 1957
Japanische Skizzen
Fünf kleine Klavierstücke (2003)
I.
Der träumende Hund
II. Der goldene Pavillon in Kyoto
III. Blick auf den Steingarten des Ryoan-Tempels
IV. Betrachtung des Grossen Buddha in Nara
V. Hibikis Lied
In der Wiener Klassik gibt es "die königlich erhabene Melodie
neben den zu Stereotypen
degradierten Begleitstimmen". Im Barock gab es dagegen schon die
komplexere Anlage
mehrerer selbständiger Stimmen in allen Tonlagen.
Viele Komponisten der Neuen Musik haben schließlich den Einzelton,
wiederum völlig unabhängig vom Register, mit individueller Expressivität
aufgeladen. So ist es auch bei
den fünf kleinen Stücken des in Franken geborenen und seit 25
Jahren in Frankfurt/M. wirkenden Claus Kühnl. Dem Interpreten sind
knappe Hinweise zu den Miniaturen -
japanischen Kurzgedichten vergleichbar - an die Hand gegeben, die vielleicht
auch dem Hörer den Einstieg erleichtern:
I.
Hunde scheinen manchmal von der Jagd zu träumen. Während des
Schlafes bewegen sich ihre Pfoten
II. Der goldene Pavillon wirkt auf den Menschen selbst wie ein Traum:
auf einer kleinen Insel inmitten eines farbigen Gartens ragt seine Erscheinung
aus Holz, welches vollständig mit Blattgold überzogen ist, hervor.
In der Wintersonne entsteht ein seltsam betörender, eisiger Glanz.
III. Der Trockengarten des Ryoan-Tempels wurde 1450 von einem berühmten
Künstler entworfen und wird von Vielen als Sinnbild eines Zen-Kunstwerkes
erachtet, das einen Moment der Erleuchtung darstellt: inmitten des sorgfältig
geharkten hellgrauen Kieses sind 15 Findlinge aus Felsgestein scheinbar
zufällig verteilt. Tatsächlich jedoch sind sie derart angeordnet,
dass sie nur von einem bestimmten Punkt aus, den es zu entdecken gilt,
alle auf einmal gesehen werden können. Das Klavierstück ahmt
diese optische Struktur akustisch nach: wenn man genau hinhört, bemerkt
man, dass die kurz gespielten "Tonsteine" aus periodisch wiederkehrenden
dissonanten Akkorden bestehen, die als Obertöne von unhör-baren
Grundtönen hergeleitet sind. Die Dissonanzen sind also keine Zufalls-
sondern Naturprodukte.
IV. Der Tempel des Grossen Buddha ist ein einfaches, aber gewaltiges Bauwerk
aus Holz. Innen wird der bronzene Riesenbuddha von mystischem Dunkel umhüllt.
Wie bei aller japanischen Kunst fehlt jeglicher Prunk!
V. Zuletzt ein stilisiertes Schlaflied für ein kleines Mädchen,
deren Name wörtlich übersetzt "Klang" bedeutet.
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